Auf einen Sprung vorbeikommen – Bungee Jumping von der Bloukrans Bridge
Für viele Kapstadtbesucher gehört ein Abstecher auf die Garden Route zu einer gelungenen Südafrikareise unweigerlich dazu.
15. Januar 2018
Etwa 550 Kilometern östlich, entlang der N2, zwischen dem beliebten Küstenort Plettenberg Bay und dem Tsitsikamma National Park thront sie – die Bloukrans Bridge. Mit 216 Metern ist sie die unangefochtene Königin unter den Brückenbauten Afrikas.
So hoch ist keine andere auf dem schwarzen Kontinent. Das Unternehmen Face Adrenalin hat aus dieser einmaligen Location Kapital geschlagen und bietet seit 1997 Adrenalinjunkies aus aller Welt die ultimative Bühne, um sich ihrer Angst zu stellen. Bungee Jumping der Superlative. Von keiner Brücke auf diesem Globus kann man sich extremer in die Tiefe stürzen. KapstadtMagazin hat den rekordverdächtigen Sprung ins Ungewisse gewagt.
Ein Raunen geht durch den Bus. Für diesen ganz besonderen Anlass entscheidet sich der Fahrer vom Gas zu gehen. Im Schritttempo auf dem Highway wird uns Passagieren die Möglichkeit geboten, sich jeden Höhenmeter bewusst zu werden. Nach meinem ersten Blick aus dem Fenster werde auch ich plötzlich ehrfürchtig. Selbst das bloße Überqueren der Bloukrans Bridge ist nichts für schwache Nerven. Insgesamt 216 Meter trennen uns nun vom sicheren Erdboden. Zur rechten Seite empfängt uns der indische Ozean, zur linken Seite erstrecken sich bewaldete Berge, die der Brücke in Sachen Höhe in Nichts nachstehen. „Wie? Da sollen wirklich Leute runterspringen?ldquo;, fragte meine Sitznachbarin. Gerade kann ich mir das auch nur schwer vorstellen, aber ich werde es herausfinden.
Das Passieren der Bloukrans Bridge hat Symbolcharakter. So verbindet sie das Western mit dem Eastern Cape.
Der Einlass zum Aussichtspunkt wartet rund 2 km hinter der Brückenanlage auf uns. Das Gelände ist durch eine Pforte zwar streng bewacht, nach einer kurzen Anmeldephase wird jedoch auch reinen Schaulustigen unentgeltlich der Zutritt gewährt. Dem ultimativen Urlaubsschnappschuss mit einem Hauch von Nervenkitzel steht also nichts mehr im Weg. Ein Fußmarsch würde zwar den ökologischen Fußabdruck klein halten, jedoch ist davon aufgrund der Größe des Geländes abzuraten. Dafür stehen direkt am Absprunggelände reichlich Parkmöglichkeiten zur Verfügung. Die Beine dürfen nach einem Blick in den Abgrund also getrost schwach werden.
Immer wieder säumen Holzhütten den Weg zum Plateau. Springer können sich auf der Anlage Koi San Village vor ihrem großen Tag eine letzte Mütze Schlaf gönnen. Nebenbei kann das Panorama genossen werden, welches durch die Nadelwälder eher an kanadische Gebirgsketten als an Afrika erinnert. Ein netter Kontrast zu den savannenartigen Weideflächen entlang der Garden Route.
Da stehe ich nun. Am Plateau mit perfekter Sicht auf die Bloukrans Bridge. Der Wind peitscht mir um die Nase. Mindestens ein Jäckchen, im besten Fall ein Windbreaker sollte auch bei noch so heißem Wetter ein ständiger Begleiter sein.
Obwohl der Blick auf die Bloukrans Respekt einflößt und ich mich als einzelner Mensch etwas verloren fühle, tobt auf der Plateuanlage das Leben. Reisebusse strömen im Minutentakt an, spucken mutige Touristen aus aller Herren Länder aus. Der eigene Souvenirshop platzt aus allen Nähten und an der Anmeldung geht alles seinen routinierten Gang. Das ist hier auch nötig.
Wie mir später verraten wird, hat der Veranstalter Face Adrenalin Ende 2017 seinen eigenen Rekord gebrochen: 221 Bungee-Sprünge an nur einem Tag. Weltklasse. Im Restaurant der Anlage bietet sich mir ein bizzares Bild. Hier kann man seine Liebsten via Liveübertragung beim Sprung in den abgesicherten Tod zujubeln, während man genüsslich in seinen Burger beißt. Mich hat das preisgünstige, aber reichhaltige Menü überzeugt.
Hier kann man als Springer also getrost seine Henkersmahlzeit einnehmen. Gespannt verfolge ich Sprung nach Sprung. Einige Kanditaten wirken mehr als verängstigt, vergießen sogar die ein oder andere Träne. Andere wiederum strahlen über das ganze Gesicht, nutzen die letzten Sekunden auf sicherem Grund für obszöne Gesten Richtung Kamera.
Es trauen sich Menschen aus allen Alters- und Gewichtsgruppen, unabhängig von Geschlecht oder ethischer Herkunft. Doch eines haben sie alle gemeinsam: Während ihres Sprunges kopfüber in den Abgrund und in der Phase der Schwerelosigkeit, wenn das Seil zurückschnappt, sehen alle aus wie kleine Aktionpuppen mit denen die Natur nicht allzu sorgsam zu spielen scheint. Manche Sprünge sehen brutaler aus als andere. Da wird der Körper richtig umhergewirbelt. Bis zu 7mal wird man nach seinem ersten Sprung nochmals in die Höhe geschleudert, kann sich dann kurz wie ein Astronaut im All fühlen. Ich bin etwas erschrocken, möchte mich aber nun endlich selber überzeugen.
Die Anmeldung ist kurz und schmerzlos. Wisch ausfüllen, kurz auf die Waage gesprungen, fertig. Dagegen wirkt jeder Amtbesuch zeitaufwendiger. Begründete Sorgen muss man sich abseits seiner Höhenangst dennoch nicht machen. Seit 20 Jahren im kommerziellen Betrieb, gab es bei Face Adrenalin noch keine Personenschäden zu beklagen.
Die Anlage ist bis dato unfallfrei. Die lebenssichernden Bungee-Seile, die sich aus unzähligen Gummistreben zusammensetzen, werden fast täglich ausgetauscht. Von der tadellosen Qualität kann man sich vor seinem Sprung auf dem Gelände überzeugen, wo die Seile nicht nur als Dekogegenstände, sondern auch als Testobjekte ausgestellt werden. Nun aber los. Frisch angemeldet und absprungbereit wird man in Gruppen von rund 20 Menschen eingeteilt. Personen, die einem bis dahin völlig fremd sind, doch mit denen man in 60 Minuten Lebenszeit dem Tod gemeinsam ins Auge blicken wird.
Diese Erfahrung schweißt wohl oder übel zusammen, wie ich noch feststellen werde. In meinem Fall schließt sich mir eine Sportgruppe 16-Jähriger Schülerinnen aus Pretroria an. Blutjung und athletisch scheinen alle heiß auf den Absprung zu sein – inklusive Lehrerin. Gemeinsam treten wir den Weg zur Käfigbrücke an, die sich unterhalb der Fahrbahn erstreckt und zur Absprungstelle mittig der Bloukrans Bridge führt. Euphorische Freudengesänge erstummen schlagartig, als wir uns mit Blick in den Abgrund zur Station vorkämpfen.
Hier wird`s plötzlich ernst und auch ich bewältige den Pfad nur fluchend. Viele empfanden diesen Teil der Prozedur als deutlich nervenaufreibender als den eigentlichen Sprung. Auf der Plattform angekommen fühlt man sich wie auf einem anderen Planeten. Das Getöse des durchziehenden Windes konkurriert mit den rhythmischen Klängen, die aus den übergroßen Boxen schallen. Zur Stimmungsaufhellung und um sich vor dem großen Sprung etwas Mut anzutanzen, verstehen es die Veranstalter durch Musik eine kleine Party in 216 Höhenmetern zu veranstalten. Ich versuche mich auch wegen dem Durchzug in Bewegung zu halten. Ungefragt wird mir von einem der Arbeiter eine Jacke angeboten. Was ein Service. Die letzten Anweisungen werden kurz gehalten, während die Anspannung unter allen immer größer zu werden scheint. Es wird nach Gewicht gesprungen, um nicht permanent zwischen den verschiedenen Seilgrößen wechseln zu müssen. Nach der Reihe werden das festgestellte Gewicht, sowie der Name aufgrufen. Bei seiner eigenen Körperfülle sollte man also nicht zimperlich sein. Eine Tatsache, die von den Veranstlern für einen lauen Witz genutzt wird. Es wird verhalten gelacht. Galgenhumor.
Nach rund 10 Minuten wird die erste Springerin auserkoren. Die wohl undankbarste Rolle. In binnen weniger Sekunden wird das letzte Geschirr angelegt und dann verschluckt sie auch schon der Abgrund. Im Kopfsprung und unter dem Gejubel uns Zuschauer fliegen sie graziell Richtung Erdboden. So werden Verletzungen am Besten vermieden. Von „Nach einem Wimperschlag ist alles vorbei“ bis „Es hat sich wie die Unendlichkeit angefühlt“ ist an Rezensionen alles dabei, während die Schulmädchen jede von ihren gesprungenen Freundinnen umzingeln. „Dieses Gefühl ist unbeschreiblich.“, höre an diesem Tag wohl am häufigsten. Tja, dann muss es wohl jeder selber wagen, um sich ein eigenes Urteil bilden zu können. Nach einer letzten Befragung in die Runde hat es keiner, aber auch wirklich keiner bereut. Ich blicke ausschließlich in vor Stolz strahlende Gesichter. Auch ein deutsches Pärchen guckt sich nach ihrem absolvierten Sprung verliebt an. Plötzlich wird es feucht in meinen Augen und mir wird klar, dass es hierbei um eine Extremerfahrung handelt, die Begleitung bedarf. Schnappt euch auf alle Fälle eure Liebsten und lasst euch danach gebührend feiern, oder im Zweifelsfall trösten.
Der Mann hinter Face Adrenalin, Thomas, der nach eigener Aussage schon in jeder erdenklichen Formation den Sprung gewagt hat, verrät mir, dass von 100 Sprunganwärtern im Schnitt einer im letzten Moment kneift. Im Gegenzug entscheiden sich viele Begleitpersonen, die für umgrechnet 10 Euro ihren Liebsten auf die Sprungplattform folgen können, im letzten Moment sich dann doch noch zu trauen. Bezahlt wird im Nachgang. Egal ob Mimose, oder Maulheld – das Team um Face Adernalin überlässt die Entscheidung bis zur letzten Sekunde dem Kunden. Ein absolut angenehmer Umgang, obwohl hier alles streng getaktet erscheint.
Denn an der Bloukrans Bridge werden auch weiterhin tagtäglich hunderte Adrenalinjunkies in den Seilen hängen.
von Lisa Levkic
Mehr Infos zur Garden Route findest du hier.
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