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10 Fragen an Sam und Zoe
1. Sam, wer bist du und wo kommst du her?
Ich bin Schweizer und habe 2011 einen Sprachaufenthalt in Kapstadt gemacht. Hier habe ich Zoe auf einer Party kennengelernt. Das ist jetzt schon ein paar Jährchen her. Mittlerweile sind Zoe und ich verheiratet. Ich hatte ein ganz durchschnittliches Leben: Ich habe meine Lehre gemacht und habe danach schon ein paar Jahre in dem Beruf gearbeitet. Irgendwann mit 24-25 war ich dann an einem Punkt, wo ich einfach wusste, irgendetwas fehlt mir. Was genau, wusst ich damals aber noch nicht. Ich wollte Englisch lernen. Wenn mans so will, auch eine Art Auszeit vom Alltagstrott. Durch Freunde und Kollegen, die von Sprachaufenthalten in Südafrika erzählt haben, bin ich dann unbewusst neugierig geworden.
2. Sam, warum hat es dich nach Südafrika verschlagen?
Als Kind, fast Jugendlich, war ich mit meiner Familie in Amerika. Da hat es mir zwar gefallen, aber dieses mal wusste ich, ich möchte eine andere Kultur kennenlernen. Ich wollte etwas anderes, eine fremde Kultur. Welches Land es sein soll, wusste ich anfangs jedoch nicht. Ich wollte nicht nach England, nicht in die USA, nicht nach Australien – ich fühlte mich zu sehr mit der Kultur dort verbunden. In der Sprachschule wurden mir dann die Alternativen gezeigt und es blieb eigentlich fast nichts anderes übrig als Kapstadt. Um ehrlich zu sein, wusste ich damals, außer ein kleines Bruchstück über Mandela, nichts über Südafrika. Genau das hat mich dann sehr neugierig gemacht.
3. Wie viel denkst du, wissen Europäer wirklich über das Leben in Kapstadt?
Viele Europäer wissen oft nicht viel über Kapstadt. Fast niemand weiß, dass es so viele verschiedene Kulturen in der Stadt gibt, wie beispielsweise die Xhosa Kultur. In den Medien wird oft nur über die hier lebende europäische Kultur berichtet, nichts aber über die vielen anderen Kulturen, die schon viel länger präsent sind. Als wir beispielsweise in der Schweiz waren, haben Studenten Zoe gefragt, wie sie zum Flughafen in Kapstadt kommt. Daraufhin scherzte sie „mit einem Elefanten“ und die Leute glaubten ihr. Verrückt oder?
4. Seit wann lebt ihr im Township Langa?
Zoe: Mein ganzes Leben. Zwischenzeitlich habe ich in Mandalay gewohnt, aber bin dann wieder nach Langa gezogen. Es ist einfach schön, man ist eine große Gemeinschaft. Es leben viele verschiedene Menschen im Township mit unterschiedlichem Bildungsgrad. Manche sind arbeitslos und andere haben wirklich gute Jobs im Zentrum von Kapstadt. Es ist oft unverständlich für Menschen außerhalb der Townships, zu verstehen, wieso viele im Township bleiben, obwohl sie einen Job und genug Geld haben. Unser Township beispielsweise ist eine große Familie und wir passen auf einander auf. Es gibt auch viele, die nicht den Sinn darin sehen, Geld für ein teures Haus in der Innenstadt oder den umliegenden Vororten zu zahlen, wenn sie sich schon ein eigenes Haus hier im Township gebaut haben.
Sam: Als ich das erste Mal ins Township Langa kam, fühlte ich mich schuldig. Es ist schlimm zu sehen, wie offensichtlich die Schichten verteilt werden. Man fährt durch eine Stadt wie Langa oder auch Hout Bay und sieht die schönen Häuser, und dann auf einmal fangen die kleinen Minihütten an. Jetzt wo ich dort wohne, weiß ich, dass dort nicht nur arme Menschen wohnen. Natürlich wohnen dort auch viele arme Menschen, aber viele entscheiden sich auch ganz bewusst in den Townships zu wohnen.
5. Sam, das Leben im Township Langa abgesehen von deiner Frau – besser oder schlechter als in der Schweiz?
Das kann ich nicht so pauschal sagen. Beide Länder haben natürlich ihre Vor- und Nachteile. Es geht mir mehr darum, abzuwägen was ich mag. Ich genieße die Freiheit im Township. Man ist nicht so sehr an das System und den Staat gebunden. Natürlich ist es auch geregelt, aber man hat einfach einen größeren Spielraum. Gleichzeitig ist die Schweiz strukturierter, was manchmal wirklich vorteilhaft sein kann. Wenn man seine Papiere braucht, dann kriegt man sie auch. Dort ist einfach alles viel besser organisiert, aber dementsprechend auch viel besser kontrolliert.
Wie ein Sprichwort so schön sagt: „Wenn man um sein Haus die größte Mauer baut, ist man gefangen im eigenen Haus.“ Ein bisschen so, fühlt man sich oft in der Schweiz, während in Südafrika das pure Leben ist. Mir gefällt einfach die Lebensart, die Mentalität – das Leben spielt sich draußen ab. Was ich aber definitiv vermissen werde, ist der Schnee. Aber das kann ich mit Kitesurfen kompensieren.
6. Heiraten in der Xhosa Kultur – wie läuft das ab?
Bevor geheiratet werden darf, müssen die Männer des Stammes erst über die Braut verhandeln. Das darf man nicht falsch verstehen, denn man kauft die Braut nicht. Das Geld was der Bräutigam dem Stamm für die Braut gibt, wird für die Hochzeit benutzt. Die Braut muss zuerst vor dem Stamm um Erlaubnis bitten. Danach wird der Bräutigam, samt eigenem Stamm, zur Hochzeitsverhandlung, der sogenannten Lobola, gebeten. Der Bräutigam und sein Stamm müssen selbstgebrannten Schnaps mitbringen. Wenn dieser angenommen wird, kann die Verhandlung losgehen. Früher hat man mit Kühen verhandelt, heutzutage verhandelt man mit Geld. Nach der Hochzeitsverhandlung ist dann der Stamm der Braut für die Vorbereitungen verantwortlich. Eine Kuh muss vom Bräutigam mit einem Speer durch den Hals erlegt werden. Außerdem wird, um die Vorfahren zu ehren, eine Woche vor der Zeremonie eine Ziege geschlachtet. Die Ziege, traditionelles Bier und die Kuh werden dann für den großen Tag vorbereitet. Am Tag der Hochzeit trägt man dann traditionelle Kleidung und die ganze Familie und alle Freunde kommen, um miteinander zu feiern.
7. Was sind eure Pläne für die Zukunft?
Unser Traum ist es eine eigene Townshiptour anzubieten. Nicht wie viele Reiseagenturen nur das Oberflächliche zu zeigen, sondern wir wollen den Menschen die Kultur zeigen. Oft wird auf den Townshiptouren erzählt, dass das Geld, was die Besucher bezahlen, dem jeweiligen Township zu Gute kommt. Das ist meist leider nicht der Fall. Wir wollen eine Tour anbieten, wo man Einheimische iXhosa kennenlernt. In unserem Ebook erwähnen wir auch, dass man beispielsweise kleine Geschenke mitbringen sollte. Nichts Weltbewegendes, es kann auch altes Essen sein, dass man selbst nicht mehr braucht. Aber für diese Menschen, bedeutet das viel. Man sollte die Townshiptouren nicht als Touristikattraktionen sehen, sondern versuchen, den Menschen die dort leben etwas zurück zu geben.
8. Zoe, wie kann man deiner Meinung nach die Armutssituation verbessern?
Die Leute müssen wissen, dass sie nichts geschenkt bekommen. Wenn ich Geld überhabe, gebe ich es gerne Menschen, die nicht so viel haben. Aber ich schenke niemandem was. Almosen machen die Situation nicht besser. Also sage ich ihnen, dass ich jemanden brauche, der für mich den Garten macht. Natürlich könnte ich auch selbst im Garten arbeiten, aber ich brauche das Geld nicht. Man muss den Menschen einen Grund geben, morgens aufzustehen.
9. Zoe, ist Rassismus in deinen Augen immer noch ein großes Thema in Kapstadt?
Definitiv! Es wird auch um ehrlich zu sein immer schlimmer. Der Rassismus findet außerdem nicht nur zwischen Schwarzen und Weißen statt. Es gibt auch viel Rassismus zwischen den Farbigen. Beispielsweise werden Menschen aus Simbabwe von vielen farbigen Südafrikanern als weniger Wert empfunden. Das liegt in erster Linie an der Erziehung. Eltern lassen ihre Kinder oft spüren, wenn sie denken, Menschen mit einer anderen Herkunft oder einer anderen Hautfarbe sind nicht so viel wert wie man selbst. Und Kinder wissen es natürlich nicht besser und werden dann selbst zu Rassisten.
10. In deinem Ebook erzählst du, dass du mehrere Gangmitglieder kennst. Was kannst du über die Gangs in den Townships sagen?
Es gibt zwei Seiten. Auf der einen Seite ist die Kriminalität der Gangs natürlich ziemlich hoch. Man kann das auch nicht entschuldigen. Aber es gibt eine andere Seite, die man oft nicht beachtet. Viele von den Gangmitgliedern haben keine andere Möglichkeit, ihr Geld zu verdienen. Es fängt auch oft so an, dass man etwas stielt und dafür kommt man ins Gefängnis. Du musst wissen, dass die Gefängnisse hier in keiner Weise mit denen in Deutschland vergleichbar sind. Man kann dort leider nicht überleben, ohne in einer Gang zu sein. Und wer in eine Gang eintritt, bleibt auch dort – für den Rest seines Lebens. Es gibt Menschen, wie meinen Freund Lenard, die dann versuchen so unauffällig wie möglich zu sein. Man ist dann zwar noch in der Gang, muss aber keine krummen Geschäfte mehr machen. Die Gangpolitik in den Townships richtet sich übrigens nicht gegen Touristen. Die Gangs beschützen deren Townships vor anderen Gangs oder Eindringlingen. Natürlich meist nur in der Nacht. Wie gesagt, oft haben die Gangmitglieder keine andere Möglichkeit.
Buchungen auf http://townshiptour.de/
Von Lena Ernsting
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