10 Fragen an den Auslandskorrespondenten Christian Putsch
Journalist Christian Putsch lebt in Kapstadt. Obwohl er guten Fußball in Kapstadt vermisst, hat er die Mother City in sein Herz geschlossen und fühlt sich hier pudelwohl.
2. Und wie sind Sie zum Journalismus gekommen?
Mir war schon recht früh klar, dass ich Journalist werden möchte und habe bereits während meiner Schulzeit daraufhin gearbeitet. Zuerst war ich bei einer Lokalzeitung in Wuppertal, während des Politikstudiums habe ich dann für die dpa geschrieben. Seit dem Jahr 2003 bin ich fest bei der WELT.
3. Was wollten Sie als kleiner Junge mal werden?
Ich gebe zu, als kleiner Junge habe ich wie so viele davon geträumt, Fußballprofi zu werden - trotz völliger Talentfreie. Entschädigt hat mich, dass ich in meinen Anfangsjahren bei DIE WELT für das Sportressort geschrieben habe. So habe ich meinen Kindheitstraum vom Fußball zumindest ein bisschen verwirklicht.
4. Was hat Sie nach Ihrem Studium nach Afrika gebracht? Gab es bestimmte Gründe?
Wie es im Leben immer ist, kommt eins irgendwie zum anderen. 2007 war ich schon einmal mit einem Stipendium des Internationalen-Journalisten-Programms für drei Monate in Kapstadt. Später habe ich als Redakteur im Sportressort der WELT gearbeitet und wurde in der Vorbereitungsphase der Fußballweltmeisterschaft 2010 in Südafrika fest nach Johannesburg geschickt. Eigentlich sollte ich dort nur für zwei Jahre bleiben, aber es hat dann ganz gut geklappt. Ich bin einfach geblieben.
6. Versuchen Sie durch Ihre Arbeit eine Brücke zwischen Afrika und Deutschland/Europa zu schlagen?
Ich freue mich natürlich, wenn meine Beiträge dazu beitragen, dass die südafrikanische Gesellschaft besser verstanden wird. Als Journalist möchte ich aber in erster Linie in alle Bereiche der Gesellschaft eintauchen und ihre Realität abbilden. Also nicht nur die schlechten Seiten von Korruption und Gewalt. Ich bin also auf keiner Mission, ich sehe mich eher als Zeuge der Entwicklungen hier. Mein Job ist es, interessante Geschichten zu finden und die Situationen in den verschiedenen afrikanischen Ländern so darzustellen, wie sie sind und natürlich so, dass man es in Deutschland gut lesen und auch verstehen kann. Das ist manchmal gar nicht so einfach, denn die südafrikanische Gesellschaft ist sehr komplex. Ich würde mir auch nach sechs Jahren die Behauptung nicht anmaßen, sie vollständig verstanden zu haben.
7. Was könnten die Deutschen am Besten von den Südafrikanern lernen und andersherum?
In einer Hinsicht sind sich Südafrikaner und Deutsche ja recht ähnlich: Beide können sich sehr gut beschweren und man hat manchmal den Eindruck, dass jeden Tag mehr oder weniger die Welt untergehen könnte.
Mehr noch als die Deutschen versuchen die Südafrikaner aber mit ihren individuell verfügbaren Mitteln zu helfen und so zumindest im Kleinen die Situation zu verbessern. Die Zivilgesellschaft in Kapstadt ist sehr aktiv. Während der Brände Anfang März brachten viele Südafrikaner Decken oder Wasser zur Unterstützung zu den Behörden. Diese Mentalität des "we make a plan" fehlt den Deutschen manchmal ein wenig. Und die Kunst „den Moment zu genießen“ beherrschen die Südafrikaner sowieso besser als jede andere Nation. Aber man lernt aus der Entfernung auch die deutschen Eigenschaften noch mehr zu schätzen. Den Perfektionismus zum Beispiel.
Das Potenzial der Südafrikaner ist so groß, wenn sie es auch nur ansatzweise ausschöpfen könnten, würde es dem Land sicherlich schon um Einiges besser gehen. Ich vermisse auch manchmal den Tiefgang in der politischen Debatte, die doch allzu oft von der Vergangenheit bestimmt wird. Damit wird verhindert, dass Politiker für ihr Handeln Rechenschaft ablegen müssen.
In dieser Hinsicht könnte Südafrika von Deutschland lernen. Und beim Fußball auch. Da könnten sich die Südafrikaner selbst von meinem leidgeprüften Lieblingsklub, dem 1. FC Köln, einiges abschauen.
9. Welches ist Ihr außergewöhnlichstes Erlebnis, das Sie hier erlebt haben?
Ich habe mich einmal für eine Recherche wegen Rückenschmerzen von einem Sangoma in Soweto behandeln lassen. Ein Sangoma ist ein südafrikanischer Schamane, dessen Behandlungen unter anderem auf Heilkräutern und Hellsehen beruhen. Davon gibt es in Südafrika Zehntausende, mehr als westliche Mediziner. Ich habe damals R700 gezahlt und dafür eine vierwöchige Behandlung bekommen. Für die Diagnose nimmt der Sangoma Kontakt zu den Vorfahren auf. Dazu schüttelt er eine mit Plastikstückchen und Affenknochen gefüllte 2l-Colaflasche und deutet dann je nach Position der Teile das Problem. Die Diagnose für mich war, dass meine Eltern zerstritten seien. Nachdem ich sagte, dass meine Eltern immer noch glücklich verheiratet seien, hieß es dann, dass es wohl zwischen meinen Vorfahren schon Streitigkeiten gab. Da der Körper je aus einem väterlichen und mütterlichen Teil besteht, hätte der Streit meiner Vorfahren meinen Körper aus dem Gleichgewicht gebracht. Das sollte die Rückenschmerzen erklären. Daraufhin sollte ich ein Gebräu trinken und er gab mir Pulver zum Baden mit nach Hause. Am Abend hatte ich dann roten Urin. Es dauerte ein paar Minuten, bis mir klar wurde, dass mir der Sangoma unter anderem Rote-Beete-Saft verabreicht hatte.
Seine Erklärung aber war, dass die schlechten Energien und der Schmerz aus dem Körper fließen würden. Rückenschmerzen hatte ich danach immer noch.
Die Erklärung des Sangomas: Ich habe zu wenig Vertrauen in ihn.
Christian Putsch lässt sich von einem Sangoma behandeln
10. Was vermissen Sie am meisten aus der deutschen Heimat?
Den deutschen Fußball. Ich würde wirklich gerne mal wieder in einem deutschen Stadion ein Spiel anschauen. Wie schon gesagt sind die Südafrikaner nicht gerade Fußballhelden und selbst die durchaus unterhaltsamen Orlando Pirates aus Johannesburg kommen an kein deutsches Team der 1. Bundesliga heran.
Und der Berliner Sommer fehlt, die Berliner Cafés und manchmal sogar das etwas rotzige Berlinerische. Da ich in Berlin noch viele Freunde habe, bin ich zwar fast jeden Sommer mal für eine Woche dort, aber es ist eben nicht das Gleiche, wenn man nur zu Besuch dort ist. Hier in Kapstadt ist Observatory ein bisschen so wie Kreuzberg, aber eben nur ein bisschen.
Manchmal vermisse ich auch den redaktionellen Alltag, das gemeinsame Themen-Erarbeiten. Als Auslandskorrespondent arbeite ich viel von unterwegs oder von zu Hause aus.
Zusatzfrage: Haben Sie noch einen Kapstadt-Geheimtipp für unsere Leser?
Es ist zwar kein Geheimtipp mehr, aber die First-Thursdays am ersten Donnerstag im Monat sind großartig. Ich mag es, wenn Leben auf den Straßen ist, Leute ins Gespräch kommen. Die Kulturszene Kapstadts entwickelt sich generell großartig. Wer First-Thursdays schon kennt und mag, sollte auch mal eine PechaKucha-Night in der Assembly ausprobieren. Da stellen sich ganz normale Menschen auf die Bühne und reden zu 20 Bildern 20 Sekunden lang. Über die Kunst der Bärte zum Beispiel. Oder die befreiende Wirkung eines minimalistischen Lebensstils – sensationell unterhaltsam. Ansonsten kann ich noch die Bars "Power and the Glory" (Tamboerskloof) und "Tagore’s" (Observatory) empfehlen.
Lies hier "Die Bruisierung des Alltags" von Christian Putsch
Von Anna Karolina Stock
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