Interview mit dem deutschen Generalkonsul Roland Herrmann in Kapstadt
Dass Kapstadt zu den Lieblingsorten der Deutschen gehört, wissen wir. Und deshalb haben wir Herrn Herrmann, den deutschen Generalkonsul seit Juni 2012, mal ein wenig ausgefragt.
Sie waren ja bereits in sehr vielen Ländern wie den Vereinigten Staaten, Indien, Israel und Singapur im diplomatischen Dienst unterwegs und leben und arbeiten jetzt seit Juni 2012 in Kapstadt. Haben Sie sich gut eingelebt und fühlen Sie sich hier inzwischen zuhause?
Die Antwort ist ein uneingeschränktes Ja! Das hat nicht nur damit zu tun, dass es viele Deutsche in Kapstadt gibt und noch viel mehr Menschen, die deutsch verstehen und sprechen. Es ist die Offenheit und die Freundlichkeit, mit der die Kapstädter auf den zunächst Fremden zukommen, die ihm sehr schnell das Gefühl gibt, hier ebenfalls zuhause zu sein.
War Kapstadt ein Wunschort? Und wenn ja, warum?
Seit ich vor vielen Jahren Kollegen, die in Südafrika „auf Posten“ gewesen waren, von Kapstadt habe schwärmen hören, war mir klar, dass ich irgendwann, dienstlich oder privat, würde hierherkommen wollen. Verstärkt hat diesen Wunsch eine Kollegin aus einer südafrikanischen Botschaft, die mir viel aus der Zeit gegen Ende der Apartheid und danach im demokratischen Südafrika erzählte. Sie schenkte mir damals auch einen Steinbrocken aus dem Steinbruch auf Robben Island, in dem Nelson Mandela und seine Mithäftlinge hatten arbeiten müssen. Kurz, ich wollte nach Kapstadt, und dieser Wunsch ist mir erfüllt worden.
Dies ist ihr erstes afrikanisches Land. Kamen Sie mit bestimmten Vorstellungen hierher, die Ihnen bereits bestätigt oder widerlegt wurden?
Verschiedene Länder Nordafrikas habe ich als Konferenzteilnehmer bzw. als Tourist bereits früher besuchen dürfen. Aber einen Dienstposten in Afrika hat man mir in der Tat bisher noch nicht angeboten. Mit Afrika verbindet sich für mich seit Kindertagen die Vorstellung, da müsse es sehr warm, vielleicht sogar unerträglich heiß sein. Diesbezüglich ist von ganz wenigen Wochen im Jahr abgesehen, Kapstadt eine einzige Enttäuschung. Aber nur in dieser Hinsicht!
Was waren die Höhepunkte Ihrer bisherigen Zeit in Kapstadt? Was ist für Sie der schönste Platz in Kapstadt?
Eigentlich ist jeder Platz in Kapstadt schön, denn man sieht von fast überall das Meer oder den Tafelberg oder beides. Dies vorausgeschickt gefällt es mir auf der eigenen Terrasse mit traumhafter Sicht auf Hafen und Atlantik am besten.
Der Höhepunkt der vielen Höhepunkte ist eigentlich ein Tiefpunkt: Es waren die Tage nach Mandelas Tod, als die ganze Nation sich vor dem Mann verneigte, der die Hoffnungen dieser vielgestaltigen Nation zur Vision eines freundlichen Landes zusammenführte, das jedem Bürger ein menschenwürdiges Leben ermöglicht und allen jungen Menschen Chancen auf Ausbildung, Arbeit und sozialen Aufstieg eröffnet.
Haben Sie in Kapstadt schon etwas erlebt, das Ihnen in Deutschland vielleicht nicht passiert wäre?
Besonders dramatisch: kampfbereite Skorpione im Wohn- und im Gästeschlafzimmer.
Wie beurteilen Sie den Stand der Beziehungen zwischen Südafrika und Deutschland?
Diese Frage hätte ein eigenes Interview verdient, denn sie hat viele Facetten: politisch, wirtschaftlich, kulturell, wissenschaftlich, Bürger zu Bürger … Im Grunde ist die Förderung guter Beziehungen der Hauptnenner all dessen, was Auslandsvertretungen tun. Kurz zusammengefasst: Wir können mit dem Stand der Beziehungen sehr zufrieden sein, aber daran zu arbeiten ist eine dauernde Aufgabe, die mir und meinen Kolleginnen und Kollegen Freude macht.
Inwiefern unterscheidet sich Ihre Arbeit hier von Ihrer Arbeit als Generalkonsul in anderen Ländern?
Die Pflege und Weiterentwicklung der Beziehungen Deutschlands zum jeweiligen Gastland ist zentrales Anliegen aller Auslandsvertretungen weltweit, nicht zu vergessen die Dienstleistungsangebote im Bereich Pass und Visa, Beurkundungen, Wirtschaftsförderung usw.
In Kapstadt, mehr als anderswo, spielt einerseits der eben genannte Dienstleistungsbereich wegen der zahlreichen hier lebenden Deutschen eine große Rolle, andererseits haben wir in Kapstadt auch zahlreiche Delegationen zu verzeichnen. Das hat damit zu tun, dass das nationale Parlament hier seinen Sitz hat, aber auch mit der wirtschaftlichen Stärke der Provinz Westkap. Und nicht zu vergessen die intensiv gelebte Partnerschaft zwischen dieser Provinz und dem Freistaat Bayern.
Wie kommt es, dass Sie sich für einen Beruf im diplomatischen Außendienst entschieden haben?
Da werden Sie von verschiedenen Kollegen verschiedene Antworten erhalten. Bei mir spielte eine wichtige Rolle der Wunsch, im Laufe eines Berufslebens immer wieder neu über die jeweiligen Tellerränder blicken zu wollen und nicht in Routine zu erstarren.
Es leben ja sehr viele Deutsche in der Kapregion. Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe dafür?
Diese Frage stelle ich mir immer wieder und es gibt erstaunlich vielfältige Gründe. Viele kamen erstmals beruflich hierher und sind geblieben – immerhin gibt es derzeit in Südafrika etwa 600 deutsche Firmen, die etwa 90.000 Arbeitsplätze bereitstellen und von denen indirekt geschätzte weitere 90.000 Arbeitsplätze abhängen. Aber was lockt unsere deutschen Landsleute hierher, was hält sie hier fest? Letztlich sind es wohl die hohe Lebensqualität zu erschwinglichen Preisen, die Schönheit und Vielfalt des Landes und seine Bewohner.
Wie viele Deutsche leben denn genau hier am Kap und welche deutschen Institutionen gibt es in Kapstadt?
Das wüsste ich auch gerne. Es gibt nach deutschem Recht keine Meldepflicht. Unsere Schätzungen orientieren sich u.a. an den Passanträgen. Wir rechnen mit etwa 25.000 Deutschen, die hier dauernd leben, plus eine etwa gleiche Anzahl Deutscher, die im Kapstadtsommer den unwirtlichen Wintermonaten in Deutschland entgehen wollen, die sogenannten „Schwalben“.
Deutschen Institutionen gibt es in Kapstadt einige, es hängt natürlich davon ab, wie eng man den Begriff fassen möchte. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit nenne ich zunächst in aller Bescheidenheit das Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland. Dann das Regionalbüro der Deutschen Industrie- und Handelskammer für das südliche Afrika, die Deutsche Internationale Schule Kapstadt, vier deutsche politische Stiftungen (Konrad-Adenauer-Stiftung, Friedrich-Naumann-Stiftung, Heinrich-Böll-Stiftung, Hanns-Seidel-Stiftung), das Goethe-Zentrum, mehrere deutschsprachige Kirchengemeinden (evangelisch, katholisch), Kindergärten, eine deutsche Buchhandlung, deutsche Restaurants, Metzgereien und Bäckereien, deutsche Ärzte, Rechtsanwälte, Professoren, Hoteliers, Journalisten …
Schweben Ihnen bestimmte Projekte vor, die Sie gerne umsetzen möchten? Was sind Ihre wichtigsten Pläne für die Zukunft?
Wir haben in der Tat einiges in der Planung für 2014. Am weitesten gediehen ist ein Projekt mit dem Cape Town City Ballet, das 2014 sein 80-jähriges Bestehen feiert. Ideen haben wir viele, woran es hapert, sind die Finanzen. Vielleicht findet sich ja aufgrund dieses Interviews der eine oder andere großzügige Mäzen. Mein Nachfolger, der im Juli 2014 seinen Dienst in Kapstadt antreten wird, würde sich bestimmt freuen. Und den allerletzten Satz dieses Interviews nutze ich gerne, um mich (jetzt schon) von Ihren Lesern zu verabschieden. Danke, auf Wiedersehen, alles Gute! Meine Frau, meine Kinder und ich, wir waren gerne in Kapstadt.