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Kapstadt und ich: Wenn Chaos und Logik aufeinander treffen

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Kapstadt und ich: Wenn Chaos und Logik aufeinander treffen

Meine Eindrücke von einer besonders schönen und gleichzeitig verrückten Stadt  

Endlich – ich bin gerade ganz frisch in Kapstadt angekommen, wo ich wegen meines Praktikums die nächsten drei Monate verbringen werde. Trotz der Vorfreude trifft es mich anfangs wie ein Schlag. Alles ist fremd und neu. Ein Gefühl von Überfordertsein macht sich breit. Zwar brennt in mir der Tatendrang, sofort auf Entdeckungstour zu gehen und die neue Stadt auf mich wirken zu lassen, doch weiß ich gleichzeitig gar nicht, wo ich damit anfangen soll. Die zahlreichen Eindrücke von den Menschen, der Architektur, dem Essen sind aufregend und überwältigend zugleich. Das lässt mich unruhig werden. Aber keine Panik, das wird schon alles irgendwie, sage ich zu mir selbst.

Erfahrungen aus Kapstadt

Dann erinnere ich mich an die vielen Reisen in Städte wie Paris, Istanbul oder London, wo ich innerhalb kürzester Zeit von einem Ort zum Nächsten gerannt bin, weil ich möglichst viel sehen und erleben wollte. Wenn ich ein paar Tage später abgehetzt nach Hause gekommen bin, habe ich mir eigentlich direkt wieder Urlaub gewünscht. Allerdings mache ich hier ja keine einwöchige Städtereise, sondern bin für ganze drei Monate in Kapstadt. Ich muss also gar nicht hetzen.

Zudem gilt die Mother City bekanntlich als „easy going“ und super lockere Stadt, in der die Zeit langsamer vergeht als anderswo. Wenn das Geschehen um mich herum gelassen dahinplätschert, dann gibt es doch nichts, was mich stressen könnte. Oder vielleicht doch? Könnte es mir möglicherweise zum Verhängnis werden, dass ich als Deutsche akkurat, ungeduldig und überpünktlich bin? Zwei verschiedene Kulturen, die aufeinander prallen: Geht das gut oder ist der Stress gerade deswegen vorprogrammiert? Wie Shakespeare wahrscheinlich sagen würde: „To be or not to be stressed – that is the question!“ Ich werde es herausfinden.

Was Kaffee und Putzzeug gemeinsam haben
Ein paar Wochen später blicke ich zurück und muss über mein anfängliches Überfordertsein lachen. Jetzt kann ich definitiv bestätigen, dass Kapstadt eine äußerst gelassene Stadt ist. Strand, Meer, Surfen, tolles Wetter, freundliche Menschen. Was will man mehr? Da diese wunderbare Stadt keinerlei Hektik ausstrahlt, ist es wirklich leicht, ein entspanntes Leben zu führen. Ich habe teilweise sogar den Eindruck, ich würde Urlaub machen, obwohl ich in Wirklichkeit arbeite. Dieses Gefühl habe ich in Deutschland noch nie gehabt, aber es ist Gold wert. Obwohl mir noch vieles fremd ist, schwärme ich schon nach kürzester Zeit für Kapstadt. Aber wie man weiß, ob hinter den Kulissen oder unter dem Sofa, der Schein trügt oft.

In der Tat wurde mir schnell klar, dass das sonnige, glänzende Kapstadt nur eine Seite der Medaille ist und dass sich dahinter auch eine Chaotische versteckt, die hin und wieder zum Vorschein kommt. Dazu fällt mir auf Anhieb ein Beispiel aus dem Supermarkt ein. Anfangs bin ich wie eine Verrückte durch die Gänge getigert und habe der Übersichthalber versucht, Preise und Produkte zu vergleichen. Leichter gesagt als getan, denn in einem südafrikanischen Supermarkt scheint es keine logische Ordnung zu geben: Der Kaffee aus dem Wochenangebot steht bei den Putzmitteln und die Cola bei den Konserven. Das macht doch absolut keinen Sinn. Wieso denken die nicht logisch und stellen den Kaffee zum Kaffee und die Cola zur Cola? Das liegt doch so nahe!

Erfahrungen aus Kapstadt

Der Versuch, mich selbst am Riemen zu reißen und nicht so spießig-deutsch zu denken, ist mehr oder weniger gescheitert. Die deutsche Korrektheit geht bei jedem Supermarktbesuch mit mir durch und die kleine Stimme in meine Kopf sagt: „Die spinnen doch, die Südafrikaner!“

Wenn Geldautomaten plötzlich hungrig sind
Das nächste Erlebnis, welches ich liebevoll „Hungriger Geldautomat“ nenne, ließ nicht lange auf sich warten. An diesem Abend hätte ich die südafrikanische Gelassenheit zu gern auf den Mond geschossen: Es war einer dieser typischen Tage, an dem alles schief lief, was schief laufen konnte. Ich wollte Geld abheben, weil ich meine Miete bezahlen musste und fuhr daher mit meiner Mitbewohnerin kurz zum Supermarkt um die Ecke. Als ich meine Karte in den dortigen Geldautomaten  steckte und Auszahlung wählte, erstarrte der Bildschirm plötzlich. Erster Gedanke: „Spuck sofort meine Karte aus, du dummes Ding!“ Leider machen elektronische Geräte nicht unbedingt das, was man ihnen sagt. Und auch dieser Automat hatte sich dazu entschieden zu streiken. Wir guckten uns an. Was jetzt?

Mein Handyakku war fast leer, meine Mitbewohnerin hatte ihres sogar zu Hause gelassen, denn mit so einem Zwischenfall rechnet nun wirklich niemand. Hilfe war zunächst nicht in Sicht.
Ein Mann, der vor dem Supermarkt Spenden sammelt, sagte völlig verklärt zu uns: „Ach, an dem Ding ist doch ständig etwas kaputt! Völlig normal.“ Normal soll das sein? Na Prost, Mahlzeit! Glücklicherweise ließ uns eine Supermarktangestellte über das Festnetztelefon bei der Hotline dieses Geldautomaten anrufen. Ich freute mich schon, dass nun schnell jemand kommen würde, um meine Karte aus den Fängen dieses Gerätes zu befreien.

Aber natürlich hätte ich mir denken können, dass alles anders kommen sollte. Ich vergaß, dass wir in Südafrika sind, wo die Zeit langsamer vergeht als in unseren Breitengraden. Laut Aussage der Securityfirma waren alle Einsatzkräfte unterwegs, sodass an diesem Abend wohl nichts mehr passieren würde. Verärgert schimpfte ich ins Telefon, dass ich mich nicht vom Fleck rühren würde, bis jemand meine Karte aus dem Automaten holte. Mehr als aufregen blieb mir jedoch nicht übrig, denn sowohl der Automat als auch der Mann am Telefon blieben gelassen und taten nichts. Fünf Minuten nachdem ich meine Kontaktdaten durchgegeben habe und immer noch verzweifelt am Automaten herumdrückte, klingelte plötzlich mein Handy und ein anderer Mann fragte erneut nach meinen Kontaktdaten. Dass ich das bereits mit einem seiner Kollegen durchgekaut habe, kommentierte er mit: „Keine Ahnung, meine Schicht fängt gerade erst an.“ Bei  Schichtwechsel miteinander reden? Nicht in Südafrika.,. Jeder scheint seine  Zeit abzusitzen.

Erfahrungen aus Kapstadt

Letztendlich sah ich ein, dass um 21 Uhr abends einfach nichts mehr passieren würde. Nicht mal 30 Sekunden im Auto, rief mich die Supermarktangestellte an und verkündete, dass ich unbedingt zurückkommen müsse, da die Securityfirma erstaunlicherweise nun doch vor der Tür stand. Wo die zwei Männer plötzlich herkamen? Keine Ahnung. Das ist wohl so in Südafrika, ein Land voller Überraschungen.

Kapstadt, meine persönliche Herausforderung
Die Liste von kuriosen Eindrücken und Erlebnissen wird in meinen drei Monaten sicherlich noch länger. Und jedes Mal wird die Aussage „Das ist Südafrika“ wie die Faust auf’s Auge passen. Seien es die südafrikanischen „Fahrkünste“, sich auf einer selbsternannten dritten Spur durch den Verkehr zu schlängeln, oder die angekündigten Stromausfälle oder die Tatsache, dass viele Kellner erst die Gabel und dann das Messer bringt, anstatt beides zusammen.

Manchmal stresst es mich, wenn etwas nicht so läuft, wie ich es aus Deutschland kenne und erwarte, doch habe ich beschlossen, die drei Monate als Herausforderung zu sehen und darüber zu lachen, wenn wieder etwas schiefgeht. Wer zu ernst ist, verliert den Spaß am Leben. Und eigentlich bin ich ja hier, um das schöne, glänzende Kapstadt und Südafrika zu erleben. Das lasse ich mir von ein bisschen Chaos nicht nehmen. Wenn’s darauf ankommt, kann ich nämlich auch „easy going“ sein...

von Anna Karolina Stock

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