Meine Wohnungssuche in Kapstadt
Nach Wochen der Verzweiflung und seltsamen Erlebnissen habe ich meinen Lieblingsplatz in Kapstadt gefunden.
Ein warmes, schallendes Lachen erfüllt das alte, viktorianische Haus in einer kleinen, charmanten Straße mitten in Kapstadt. Schon beim Reingehen duftet es nach Fleisch auf dem Braai und gutem Wein. Ich folge den Stimmen und komme auf unsere große Terrasse, auf der all meine interessanten Mitbewohner aus aller Welt mit Akustikgitarre sitzen und den Tag ausklingen lassen ... Dieses Szenario stellte ich mir mit breitem Lächeln vor meiner Ankunft in Kapstadt immer und immer wieder vor. Doch so läuft das hier leider nicht. Nicht mal annähernd.
Nachdem der südafrikanische Wohnungsmarkt auf gumtree.co.za über Wochen meine morgendliche Zeitung ersetzte, musste ich irgendwann damit anfangen, Prioritäten zu setzen. So habe ich mich schon nach ein paar Tagen von meinen imaginären, liebenswerten Mitbewohnern verabschiedet und mir die starke Überbewertung von netter Gesellschaft eingeredet. Und wer braucht schon einen Garten mit Terrasse für die warmen Sommernächte am Braai? Und so ein viktorianisches Haus klingt zwar charmant und idyllisch, aber wenn deine Haare beim Fernsehen wehen, weil durch die alten Fenster ein ununterbrochener Durchzug herrscht, ist es das ja auch nicht wert. Meine realistischen Prioritäten bestanden also nach kurzer Zeit darin, ein bezahlbares, sicheres Zuhause in Stadtnähe zu finden.
Gar kein Problem, denn von zehn Anfragen bekam ich zwei Besichtigungstermine, die ich zwischen Arbeit und Abenteuer auch irgendwie unterbrachte. Ist ja nicht so, dass ich am Dienstagmorgen um 10 Uhr noch nichts vorhabe.
Das Model
Zwischen all den verschwommenen und seltsamen Bildern auf Gumtree ist mir diese Wohnung sofort aufgefallen. Ein stilvolles Loft eingerichtet wie aus einem Katalog mitten in der Stadt geteilt mit Matthew. Schon beim Verfassen der Anfrage war ich in ungewöhnlich aufgeregter Goldgräberstimmung. Ich habe mich bereits grinsend auf diesem unverschämt schönen Ledersofa sitzen sehen. Nach regem E-Mail-Verkehr mit Matthew habe ich mich dann mit meinem eventuell zukünftigen Mitbewohner in einem Café verabredet. Ich hatte keine Ahnung, wie alt er ist, was er macht, geschweige denn, wie er aussieht. Das Ganze hatte also eine etwas unangenehme Blind-Date-Atmosphäre. Mein Blick schweifte durch den Raum, bis ich plötzlich ein engelhaftes „Halleluja“ in mir hörte. Da saß er. In seiner vollen Pracht. So schön, dass ich zur gleichen Zeit hoffte, dass es nicht Matthew ist. Denn gibt es etwas Schlimmeres, als in den eigenen vier Wänden gehemmt zu sein? Meinen sonntäglichen Schlafanzug-Look konnte ich mir somit also abschminken. Außerdem will ich nicht jedes Mal in Ohnmacht fallen, wenn ich meine Zimmertür aufmache und meinen Mitbewohner sehe. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie verkrampft ich diesen netten, jungen Mann während meines Kaffees angestarrt habe. Nach einer kurzen Führung durch sein hinreißendes Zuhause habe ich mich dann gegen den Einzug entschieden. Denn der befangene Spaß lag zu dem auch noch über meinem Budget und somit sprach zu viel dagegen.
Die Spirituelle
Nach zehn Wadenkrämpfen, Schweißausbrüchen und Atemnot habe ich dann das nächste Objekt erreicht. Der steile Berg bringt mich zwar jeden Tag an meine physische Grenze, aber dafür habe ich auch einen Blick über die Stadt und spare mir das Fitnessstudio. Aus der Anzeige war nicht zu entnehmen, wie viele Personen in diesem Haus wohnen. Mich begrüßt eine sehr spezielle, Ende dreißigjährige Frau, die unglaublich freundlich und zugleich seltsam ist. Neben fünf Katzen leben dort noch fünf andere Frauen, die aber alle nicht zu Hause waren. Ein Frauenhaus also. Mit Katzen. Kann sicher ganz interessant sein, hätte die Dame mir nicht schon nach zwei Minuten aufdringliche Komplimente gemacht. Zudem fing sie an, ihren Bauch zu reiben und mir zu erklären, dass sie meine Aura spüre und diese hervorragend in dieses Haus passe. Sehr nett könnte man meinen, doch nach dem zehnten Erwähnen wurde mir das Ganze dann doch etwas suspekt. Während ich mir überlegte, wie ich aus dieser Nummer wieder rauskomme, fing sie an mir von ihrer morgendlicher Routine zu erzählen. Dabei schnallt sie sich einen Kanister auf den Rücken und wandert in die Berge, um frisches Quellwasser zu zapfen. Klingt zunächst idyllisch, jedoch bestand sie darauf, dass ich dieses Wasser probiere, und überreichte mir mit aufgerissenen Augen, die mir auf einmal verrückt erschienen und breitem Grinsen einen Kelch mit zwei Händen. Als sei es eine Art Trank, der mich besonders glücklich machte. Natürlich probierte ich das Wasser brav, war aber heil froh, als ich aus diesem etwas zu spirituellen Tempel wieder raus war.
Wohnen im Aufzug
Nach diesen prägenden und verwirrenden Erfahrungen war ich nun bereit für ein Einzelapartment. Wenn ich genauer darüber nachdenke, ist es doch auch viel angenehmer, sich bedenkenlos gehen lassen zu können. Mein nächstes Ziel war also ein Apartmentblock, der direkt in einem Einkaufszentrum lag. Wie praktisch ist das denn? Zusammen mit 20 anderen Interessenten quetsche ich mich in einen Fünfpersonenaufzug, der uns in den 10. Stock brachte. Diese Aufzugfahrt war die längste meines bisherigen Lebens. In jeder Etage wollten andere Hausbewohner dazu steigen. Wenn ich mich also dafür entscheide, muss ich jeweils 30 Minuten mehr Zeit für den spaßigen Auf- und Abgang einplanen. Nach einer ungewollt intimen Fahrt mit jeder Menge fremdem Atem- und Körperkontakt stand ich in einem stickigen Raum mit milchigen Fenstern. Charmant ist definitiv etwas anderes. Auch beim Gang zum Supermarkt, der direkt in der Mall liegt, würde ich nichts von Kapstadts Schönheit mitbekommen. Wortlos stieg ich also zurück in den 30-Minuten-Aufzug.
Die Dachterrasse
Nach Wochen der Suche, zahllosen Enttäuschungen und immer steigendem Zeitdruck wurde ich langsam nervös. Vielleicht hätte ich es doch mit dem schönen Matthew wagen sollen? Meine letzte Hoffnung lag in einem Haus in Vredehoek, nur zehn Minuten von der Stadt entfernt. Nach der Beschreibung leben dort „two easy going guys and a lovely dog“. Ich spürte schon wieder die Goldgräberstimmung in mir, hielt meine Euphorie aber durch die letzten Erfahrungen zurück. Da stand ich nun. Vor einem riesigen Haus, der letzten Hoffnung und fast bereit einfach irgendwo einzuziehen. Die zwei „easy going“ Jungs entpuppten sich als zwei Südafrikaner, die sich selbst erst vor ein paar Monaten kennenlernten. Während der eine meine Vision der Akustikgitarre erfüllt, gibt es für den Zweiten kein anderes Thema als seinen Pit Bull. Eine Balance, mit der ich mich sicher irgendwie engagieren könnte. Nach einer kurzen Hausführung gefiel mir dieser Ort immer mehr. Ein wunderschöner Garten mit Pool, Dachterrasse mit Blick auf den Lion’s Head und direkt am Tafelberg. Hier kann man es sich gut gehen lassen. Auch nachdem ich mir im Marihuana-Qualm den neuen Godzilla Film anschauen musste und mir überlegte, wie ich diese zwei vergeudeten Stunden meines Lebens wieder ausgleichen kann, war ich überzeugt, dass das mein neues Zuhause werden soll. Mit einem High Five von beiden Jungs und einem „Wenn du Bock hast, kannste hier einziehen“ am Ende der Haus-Film-Besichtigung, war mir der Platz in Vredehoek und in meinem Kapstadt-Abenteuer gesichert.
Etwa einen Monat nach dem Einzug habe ich meine Entscheidung nicht bereut. Zwar gibt es viele Kompromisse, die ich eingehe - viel ungewaschenes Geschirr und seltsame Konversationen, an die ich mich gewöhnen muss - aber immerhin habe ich in diesem Zuhause meinen Lieblingsplatz in Kapstadt gefunden. Hier verbringe ich jeden Morgen und jeden Abend – auf der für mich friedlichsten und magischsten Dachterrasse der Welt.
Praktische Tipps zur Wohnungssuche:
- Bevor du mit der Wohnungssuche beginnst, solltest du dich zunächst informieren, welche Viertel in Kapstadt sicher und für dich geeignet sind. Innenstadt, Tamboerskloof, Oranjezicht und Gardens sind ideal für alle, die überall hinlaufen und ganz nah am Geschehen sein möchten. Observatory und Woodstock sind bei Studenten sehr beliebt, da die Universität UCT in der Nähe ist. Auch Vredehoek und District Six sind romantische Fleckchen in Innenstadtnähe. Wenn es ans Meer zieht, der ist in Green Point und Sea Point gut bedient.
- Setze dir von Anfang an realistische Prioritäten und ein Budget, was du monatlich aufbringen kannst. Finde heraus, was dir wichtig ist und was nicht. Somit kannst du in der riesigen Anzeigenlandschaft schnell einiges ausschließen.
- Gumtree.co.za ist die Online-Plattform, auf der du am ehesten fündig wirst. Dort sucht jeder und stellt auch jeder seine Angebote rein.
- Wenn bei Gumtree eine Telefonnummer angegeben ist, solltest du diese einer schriftlichen Nachricht vorziehen. Ansonsten kann es zu erheblichen Verzögerungen oder gar keinen Antworten kommen.
- Bei öffentlichen Besichtigungen, die von Maklern arrangiert werden, können zusätzliche Gebühren wie Bewerbungsgebühr anfallen. Zudem solltest du dich auf einen großen Ansturm von Interessenten einstellen.
- Schau dir die Bilder auf Gumtree genau an. Oft kannst du schon da feststellen, ob du dich dort wohlfühlen könntest. Besonders bei Zeitdruck kannst du so viel Aufwand sparen.
Von Laura Simon
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