"Bruisierung" des Alltags
Was Südafrikaner mit "mein China" und "Z3" meinen verrät uns Südafrika-Korrespondent und Autor Christian Putsch.
Auf meinem Kapstädter Lieblingsmarkt im Fischerdorf Hout Bay gehört ein T-Shirt zu den Bestsellern. Es trägt die Aufschrift "Don't bru me", und so mancher frisch angekommene Tourist wird schon ratlos davorgestanden haben. Allerdings nur bis man ihn kurze Zeit später an einem der Essensstände fröhlich bediente. "Zwei Pizzen? Macht 180 Rand, bru." Bru ist die Abkürzung für Bruder, und in Südafrika wird man auf diese Weise schnell Teil des engeren Familienkreises.
In wohl keinem Land gibt es so viele Begriffe, die als Komplizen der sekundenschnellen Verkumpelung dienen. Besonders verbreitet ist dies in Kapstadt, wo männliche Bewohner grundsätzlich wahlweise als "boet", "dude", "buddy", "mate" oder eben "bru" angesprochen werden. Mit der Suche nach einer Logik sollte man in den meisten Fällen nicht allzu viel Zeit verbringen, sie ist schlichtweg nicht vorhanden: Besonders gute Freunde bezeichnen sich hier als "mein China". Das ergibt überhaupt keinen Sinn, aber trotzdem weiß jeder, was gemeint ist.
Man könnte annehmen, die elf offiziellen Amtssprachen in Südafrika wären genug Aufwand, um allgemeine Verwirrung zu stiften. So empfiehlt es sich nach Möglichkeit, bei einem Knöllchen auf Ndebele Einspruch zu erheben. Das beherrschen nur zwei Prozent der Bevölkerung. Entsprechend groß ist die Chance, dass dieser Strafzettel von 98 Prozent der Behördenmitarbeiter in den Papierkorb geworfen wird. Die wahre Herausforderung aber ist die zwölfte und wichtigste Sprache: der Slang. Es dauerte daher auch eine Weile, bis ich begriff, dass der Zuruf "sharp sharp" (dt. "scharf, scharf"), nicht als Anmachspruch, sondern lediglich als wohlgemeinter Abschiedsgruß zu werten ist.
Egal aus welcher südafrikanischen Sprache ein Slang-Begriff stammt – so richtig gefährlich klingt er selten. Ein Verbrecher ist ein "tsotsi", ein Marihuana-Joint wird schlicht "dagga" genannt, ein Betrunkener ist ein "dronkie". Die wunderbare Beleidigung "Dummkopf", die in Deutschland ein wenig aus der Mode gekommen ist, hat in Kapstadt in ähnlicher Phonetik weiter Bestand: "Domkop!". Selbst die in Südafrika weit verbreitete Aids-Epidemie wird hier schlicht als "Z3" bezeichnet. Begründet wird die Abkürzung mit der enormen Verbreitungs-Geschwindigkeit: Schnell wie ein "BMW Z3" eben.
Nicht zu unterschätzen ist derweil die therapeutische Wirkung des Slangs, der oft die Funktion eines gesellschaftsfähigen Seufzens übernimmt. Selbst gestandenen Männern lindert ein lautes "Eiiiiish" den Schmerz angesichts eines Tores gegen das Lieblingsfußballteam. Bei einem Treffer für die eigene Mannschaft lautet der geeignete Torschrei übrigens: Laduma. Das Jubelwort aus der Sprache der Zulu bedeutet herrlich anschaulich: Es donnert.
Einen kurzen Moment lang habe ich bei meinem letzten Besuch auf dem Hout-Bay-Markt überlegt, mich ebenfalls per T-Shirt gegen die "Bruisierung" des Alltags zu wehren. Dann blieb der Stoff jedoch auf der Stange. Denn so wirklich kann und will ich mir ein Kapstadt ohne seinen Slang nicht mehr vorstellen. In diesem Sinne, liebe Freunde: "Sharp-sharp, bis zum nächsten Mal, brus."
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