Ein transformatives Festival der Kunst und alternativen Lebensweise irgendwo im ...
48 Stunden in Jo’burg
ein Gastartikel von Sandra Lettenbichler
Das Wochenende steht vor der Tür und es fegt, wie so oft, der „Cape Doctor“ orkanartige Windböen durch die Straßen von Kapstadt. Der Wetterbericht hat noch dazu Regen vorausgesagt. An Strand, Tafelberg oder Straßenmärkte ist gar nicht zu denken – sogar das Autofahren wird zur Herausforderung, um nicht aufgrund einer plötzlichen Windböe von der Straße abzukommen.
Als gut informierte, „temporäre Kapstädterin“, habe ich das Touristenprogramm bereits abgeschlossen. Die „Locals“ vom Büro haben auch keine brauchbaren Wochenendideen für dieses Wetter. Der schlechten Laune der „Mother City“ ausgeliefert, durchforste ich sämtliche Quellen nach einem vernünftigen Wochenendprogramm – möglichst außerhalb der Stadt. Mein Freund macht mich schließlich darauf aufmerksam, dass wir – weil wir ja ohnehin nichts Besseres vorhätten – eigentlich nach Johannesburg fliegen könnten: Zum Finale des Africa Cup of Nations. Jonas und Phillip (Freunde von uns) wären auch dort.
Ich hatte bereits viele Horrorgeschichten über Johannesburg und seine Kriminalität gehört; da ich weder in die Kategorie „Akut Suizidgefährdet“ gehöre, noch ein „Abseits“ erklären kann, hält sich meine Begeisterung anfangs in Grenzen. Zu meiner Überraschung, erklärt mir meine bessere Hälfte, er hätte bereits vor Wochen Karten gekauft und die Flüge mit Kulula und Mango wären ja gar nicht so teuer. Als ich mir dann noch das Hotel aussuchen durfte, war ich überzeugt. Bestenfalls würden wir das Wochenende am Pool mit einem guten Buch verbringen.
Mit den aktuellen Ausgaben der „Elle“ und „Men’s Health“, zwei Dosen Pfefferspray und ein paar Büchern im Gepäck, sitzen wir einen Tag später im Flieger nach Lanseria, einem kleinen Flughafen am Rand von Johannesburg. Dort angekommen wartet bereits ein kleiner weißer Flitzer für‘s Wochenende auf uns. Da wir aus Zeitmangel die „10 Must Do’s in Johannesburg“ nicht mehr recherchieren konnten, bat ich einen früheren Arbeitskollegen, der seit zwei Jahren in Johannesburg lebt, um ein paar Hinweise. Erster Stopp auf seiner Liste: „Rhino & Lion Nature Reserve“.
Bereits „Safari erfahren“ von einem früheren Trip, fahren wir, mit einer Informationsbroschüre ausgestattet, etwas skeptisch in den eingezäunten, privaten Wildpark. Die ersten zwanzig Minuten sind nur Springbocks und Eichhörnchen zu sehen. In Gedanken bereits am Pool liegend, sehe ich plötzlich ein sich bewegendes, überdimensioniertes, rötlich-braunes Etwas ein Stück abseits der Straße: Ein ausgewachsenes Nashorn! Diesmal nicht mehrere hundert Meter entfernt von unserem Truck wie bei der ersten Safari, sondern nur wenige Meter vor unserem winzigen Stadtauto. Einige Sekunden später entdecken wir auch das kleine Kalb, das sich hinter der Mutter versteckt hatte. Die wunderschönen Giganten fressen gelassen neben uns ihr Futter.
Abenteuerlustig setzen wir unsere „Mini Safari“ weiter fort. Wir sehen weiße Löwen, Tiger, Flusspferde, Leoparden, Büffel und noch so einiges, was die faszinierende südafrikanische Tierwelt zu bieten hat. Als abschließendes Highlight dürfen wir im Besucherzentrum mit zwei kleinen Tigerbabies spielen. Glücklich und fasziniert von dem einzigartigen Artenreichtum dieses Kontinents, verlassen wir das „Rhino & Lion Nature Reserve“ als die Tore des Parks schließen.
Es ist bereits Abend geworden, als wir in unserem Gästehaus in Northcliff ankommen. Securityposten auf der Straße, Hunde und ein übergroßes Eisentor bewachen das antike Anwesen, inmitten eines grün wuchernden Gartens. Wir leeren den mit Portwein gefüllten Dekanter in unserem Zimmer und lesen gespannt den nächsten Tip auf unserer Liste: Das Montecasino.
Mittlerweile ist auch Phillip in Johannesburg angekommen und wir machen uns auf, zu einem unvergesslichen Abend im Montecasino: Einem Ort, der wie es scheint, das richtige Leben (inklusive Feuerwaffen, die beim Eingang im Waffenschrank verwahrt werden) aussperrt und eine europäische Scheinwelt erschafft. Die kleinen Balkone mit Wäscheleinen und die Architektur suggerieren ein italienisches Ambiente. Das Montecasino mit seinen Spielautomaten, Restaurants und Nachtclubs erinnert an das bereits vielfach kopierte Konzept des „Venetian“ in Las Vegas. Etwas benommen von der Surrealität dieses Ortes, ertasten wir unsere Umgebung: Die Wände sind aus Gips, die Bäume aus Plastik und der strahlend blaue, wolkige Himmel verrät sein wahres Gesicht durch zwei entwischte Heliumluftballone.
Den nächsten Morgen starten wir mit einem kräftigen Frühstück, bevor die Liste uns in das „Apartheid Museum“ führt. Dieses Weltklassemuseum widmet sich einem dunklen Teil Südafrikas. Mit einzigartigem pädagogischen Geschick und vieler spannender Details vermittelt das Museum Geschichte, Verständnis und Hoffnung - ohne dabei zu langweilen. Wir lernen und staunen über die Vergangenheit Südafrikas und dessen Nationalheld, Nelson Mandela. Diskutierend über das Gesehene machen wir uns auf den Weg zurück zum Hotel und legen einen kurzen Stopp in einem der Einkaufszentren in Jo’burg ein: Sandton City.
Wenige Stunden vor dem großen Finale kommt auch Jonas in Johannesburg an. Wir starten in Richtung Soweto, zur Soccer City. Das Auto am Straßenrand geparkt, marschieren wir mit etwa 90.000 Fußballfans zu Fuß weiter zum Stadion. Auf dem Weg statten wir uns mit Vuvuzelas, Fahnen und Gesichtsfarbe aus. Unser grün-weiß-grünes Outfit erregt Aufsehen: Nigerianische Fans bedanken sich, für unsere Unterstützung deren Nationalteams und wir posieren mit ihnen für Fotos. Nach einem spannenden Spektakel und dem Sieg für Nigeria geht ein sensationelles Wochenende mit einem Feuerwerk zu Ende.
Nach ein paar Stunden Schlaf düsen wir müde, aber voller Begeisterung für diese aufregende Stadt zum Flughafen. Etwas sagt mir, dass ich nicht einmal einen Bruchteil von Johannesburg gesehen habe und dort noch viele Abenteuer warten. Jonas und Phillip haben ihre Pläne geändert: Sie sind fürs Erste dort geblieben.
Von Sandra Lettenbichler
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