Wir reden mit dem Fotografen aus Kapstadt über seine Arbeiten und Reisen
Singen, beten, lachen
Ein Vormittag in einer südafrikanischen Kirche
Es verspricht ein sonniger Tag zu werden. Ich stehe auf unserer Terrasse, überblicke halb Kapstadt und schaue der Sonne zu, wie sie langsam über die Bergkette in der Ferne klettert. Wir steigen ins Auto und fahren eine halbe Stunde Richtung Südosten. Die großen Häuser der Innenstadt machen langsam aber sicher kleinen Häuschen und Hütten Platz, die neben der Autobahn auftauchen. Wir treffen uns mit Nondwe, deren Familie in Gugulethu wohnt, an einem Einkaufszentrum vor dem Township.
Zusammen mit Nondwes Tante und den zwei kleinen Töchtern der beiden machen wir uns auf Richtung Kirche. Es ist Pfingsten. Wir fahren die Hauptstraße des Townships entlang, links und rechts von uns relativ ansehnliche Häuser, klein, aber okay zum Wohnen. Wir biegen ab und ein ganz anderes Bild ergibt sich: Am Straßenrand sehe ich ärmliche Hütten, die unsereiner nicht mal als Geräteschuppen nutzen würde, in denen hier aber große Familien wohnen. Zwischendrin immer wieder schlafende Straßenhunde, spielende Kinder und schick angezogene Menschen, die Richtung Kirche strömen.
Halleluja, vier Stunden lang
Die Kirche, die wir ansteuern, ist ein flaches Haus und in freundlichem Orange angestrichen. Wir gehen hinein und zu meinem Erstaunen ist die Party schon in vollem Gange: Ein Mann steht vorn neben dem Keyboard und predigt brüllend etwas, was ich nicht verstehe. Nur das ständige Halleluja erkenne ich wieder. Wir nehmen in der ersten Reihe Platz, was wir aber nur eine halbe Stunde aushalten. Denn nachdem der Prediger seine imposante Darbietung beendet hat, kommen drei Frauen nach vorn und fangen mit wuchtiger Stimme an zu singen. Für die kommenden vier Stunden werden sie damit, ein paar Unterbrechungen ausgenommen, auch nicht mehr aufhören. Der Raum füllt sich immer mehr, bis er schließlich bis zum Bersten voll ist. Zusammen wird lauthals gesungen, geklatscht und gebetet. Doch nicht wie bei uns in ruhiger und besinnlicher Art und Weise, sondern laut schreiend, flehend und weinend. In der nächsten Minute wird wieder gelacht, für einen kurzen Moment kehrt Ruhe ein und der Priester fordert alle Besucher auf, sich zu erheben. Laurence und ich stehen auf und der Priester ruft: "Herzlich willkommen, ihr seid so wundervoll, so wunderschön, wir lieben euch!" Noch bevor ich mir überlegen kann, dass das vielleicht etwas überzogen ist, schreit die Menge auch schon los, springt in die Höhe, jubelt, kreischt und ja – heißt uns willkommen. Derart mit Liebe ummantelt setzen wir uns wieder hin, um gleich im nächsten Moment wieder aufzustehen und ein neues Lied anzustimmen (oder zumindest mitzuwippen, denn Lieder auf Xhosa zu singen ist eine Kunst für sich).
Gegen Mittag ist der Gottesdienst vorbei, wir gehen raus ins Sonnenlicht. Ich bin beeindruckt und denke noch über das Erlebte nach, als wir schon auf dem Weg zurück sind. Wir besuchen noch Nondwes Familie und gehen im Zentrum von Gugulethu etwas essen. Mir kommt das Township an diesem Pfingstsonntag entspannt vor, gesellig, fast friedlich. Die Menschen sind herzlich und freundlich, das Leben scheint in diesem Moment in Ordnung zu sein. Halleluja.
von Anne Wallrabe
Mehr Stories & Infos gibt es in unserer Rubrik Townships.
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