Sommer, Surfen und viele Touristen in der Mutterstadt
Dokumentarfilm "Kap der deutschen Hoffnung"
Was ist typisch deutsch?
Exakt diese Frage. Es ist das Bedürfnis alles zu benennen und in Definition zu verpacken.
„All-berechnende Barbaren” schimpfte Hölderlin seinerseits die Deutschen ob ihres Zwangs überall nur seinen Nutzen zu suchen und darüber ganz das Schwärmen zu vergessen. Unser Leben wird ständig vermessen, gewogen und abgezählt, denn die Deutschen sind ein Haufen Individualisten. Dennoch ist die deutsche Kultur unverkennbar einzigartig. Dies kommt vor allem im Ausland zum Vorschein. Wie schaffen es die Deutschen nur ein fremdes Land ihr Heim zu nennen und doch dabei so einen starken Bezug zu ihrer deutschen Identität beizubehalten?
Dieser Frage wollen Anna Sacco und Lemay Llorente Quesada in ihrem Dokumentarfilm „Kap der deutschen Hoffnung“ nachgehen. Das kreative Projekt ist eine Produktion des UCT Centre of Film and Media Studies und erforscht im Rahmen ihrer Masterarbeit die verschiedenen Aspekte der deutschen Community in der Kapregion.
Kapstadt hat schon immer Menschen aus der ganzen Welt angezogen. Die atemberaubende Landschaft macht die Stadt am südlichen Ende Afrikas zum perfekten Platz für Träume und Hoffnungen; ein guter Ort zum Niederlassen. Nicht nur weil es schön ist, sondern auch die europäische Stimmung und der hohe Standard ziehen so manchen Auswanderungslustigen an. Das Klima ist angenehm und die Lebenskosten sind weitaus günstiger als in Europa. Die vielfältigen Ressourcen Kapstadts sind besonders interessant für mutige Unternehmer mit neuen Geschäftsideen.
Einen schwachen Punkt besitzt Kapstadt jedoch: es ist das Sicherheitsproblem. Vielleicht haben sich deshalb viele Immigranten nicht in die lokale Szene integriert. Stattdessen haben sie ein Netzwerk von Vertrauten und Bekannten um sich herum aufgebaut. Es ist tatsächlich möglich, ein Leben ausschließlich in dieser großen, miteinander verbundenen 'Blase', die innerhalb der Mother City agiert, zu führen?
Die exakte Anzahl der deutschen Immigranten ist nicht bekannt. Was sind ihre Gründe sich gerade in Kapstadt niederzulassen? Die Wahl des Landes scheint angesichts der 'typisch' deutschen Lebensart, die es organisiert und gut strukturiert mag, etwas überraschend. Südafrika ist bekannt für eine eher lockere Mentalität; nicht der beste Ort für deutsche Anforderungen und Bedürfnisse. Andererseits wird auch das typisch deutsche Verhalten mit seinem Hang zum Perfektionismus oft als Negativität missverstanden. Die deutsche Art mit ihrer „Made in Germany“- Mentalität besteht auch unabhängig vom Heimatland.
Anders ausgedrückt: Prallen hier verschiedene Lebens- und Arbeitshaltungen aufeinander? Ist die deutsche Gemeinschaft am Kap eine in sich verschlossene 'Parallelgesellschaft'?
Wenn man den seit den 1930er Jahren bestehenden Deutschen Klub in Kapstadt besucht, könnte man diesen Eindruck gewinnen. Die deutschen Immigranten entwickelten nach und nach ein Netzwerk, das ihnen heute erlaubt deutsche Kultur und Tradition auf dem afrikanischen Kontinent nachzubilden. Sie können ihr Brot beim deutschen Bäckern kaufen und ihr Fleisch beim deutschen Metzger. Sie können Nachrichten, Filme und Serien auf dem deutschen Fernsehkanälen schauen oder Golf am nahe gelegenen Golfplatz mit deutschen Freunden und Kollegen spielen. Es gibt auch einen deutschen Friseur, einen deutschen Zahnarzt, einen deutschen Buchladen, ein deutsches Maklerbüro und – natürlich – deutsche Bauunternehmer und Automechaniker.
Fast jeder deutsch Immigrant ist entweder selbstständig oder pensioniert und die Kinder gehen sicherlich auf die Deutsche Internationale Schule Kapstadt. Das deutsche Gütezeichen steht für Qualität, gerade im Ausland. Deutsche sind auch meistens die Zielgruppe der deutschen Unternehmer, denn nur Deutsche wissen, wie es die Deutschen am liebsten haben. Die deutsche Gemeinschaft hilft sich gegenseitig und das Paulaner Bräuhaus, wo das Bier – natürlich - nach deutschem Reinheitsgebot gebraut wird, fungiert dabei als Kontaktbörse. 'Gibt es auch noch etwas Afrikanisches an diesem Leben?' wird sich vielleicht manch einer wundern.
Natürlich vermeiden nicht alle deutschen Immigranten die südafrikanische Realität zugunsten eines sorgenfreien Lebens in Kapstadt. Viele integrieren sich richtig und engagieren sich sogar persönlich und nicht nur finanziell. Denn die Mentalität des „Zurückgebens an die Gesellschaft“ ist nämlich auch ein „typisch“ deutscher Charakterzug.
'Kap der deutschen Hoffnung' wird mit der Unterstütztung des deutschen Generalkonsulats in Kapstadt realisiert und voraussichtlich im Februar 2011 fertig gestellt werden. Der Dokumentarfilm beleuchtet den Einfluß und das Erbe der deutschen Kultur in der soziokulturellen Landschaft Kapstadts. Damit trägt er zu einem positiven deutsch-südafrikanischen Verständnis bei.
Auf einer größeren Ebene sprechen die beiden Nachwuchsjournalisten aber auch solch komplexe Themen wie Identität, Integration, Adaption und Zugehörigkeit an. In einer zunehmend mobilen Gesellschaft wird es immer wichtiger, sein eigenes kulturelles Erbe zu pflegen. Die Dokumentation gibt nicht nur ein Bild der deutschen Gesellschaft in Kapstadt, sondern fungiert auch als Blaupause für jede andere Community, die außerhalb ihres Heimatlandes lebt.
Wer sind Anna Sacco und Lemay Llorente Quesada und warum dieses Thema?
Anna Sacco: "Lemay und ich haben uns im Studiengang Media Theory&Practice an der UCT kennengelernt; es ist für uns beide die zweite Karriere, die wir eingeschlagen haben. Sie ist ursprünglich aus Cuba, hat aber jahrelang in den USA gelebt und nun seit fast 5 Jahren in Kapstadt. Ich bin Italienerin, aber in Deutschland aufgewachsen. Was uns beide an dieses Projekt bindet ist die tiefergehende Frage nach Identitätsfindung, wenn man in einem anderen Land lebt. Auch wenn es verschiedene Länder sein können, ist eine Frage bei allen ex pats gleich: wie hält man sein kulturelles Erbe aufrecht, wenn man fernab vom Heimatland lebt?
Die deutsche Community in Kapstadt ist zahlreich und sehr stark präsent, daher schien sie uns als gutes Beispiel zu dienen."
Fotos: Sorrel Adams
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